Frauen, Kampfkunst und Katori Shintō-ryū

Frauen, Kampfkunst und Katori Shintō-ryū

Motivation

Wir leben in einer Welt, die, egal ob im Westen oder im Osten, patriarchalisch geprägt ist, eine Welt, in der Frauen jahrelang für Gleichberechtigung kämpfen mussten und oftmals immer noch tun.

In diesem Zuge des Kampfes mit Vorurteilen fragen sich noch zu viele Frauen, ob es einen Platz für Sie im Dojo gibt. Das Dojo, bzw. die Kampfkünste werden noch oftmals als männliche Domäne oder ein Herrenclub wahrgenommen. Sie stellen sich Fragen wie: Bin ich überhaupt stark genug, um eine Kampfkunst zu trainieren? Und wären sie überhaupt in einem Dojo willkommen? Ich persönlich kenne selber zwei Frauen, die sich solche Fragen gestellt haben und Angst hatten, dass ihnen der Eintritt verweigert wird, bevor sie den Mut fassten das Dojo aufzusuchen.

Die japanischen Kampfkünste und die Katori Shintō-ryū im Besonderen waren immer ein Platz, an dem Frauen willkommen waren. So war es schon vor ca. 600 Jahren und so ist es auch noch heute im Kobukai Berlin. Dieser Artikel will ein paar der Frauen der Katori Shintō-ryū vorstellen und thematisieren und alle Leserinnen und Leser herzlich einladen sich selbst ein Bild unserer Kampfkunst zu machen.

Die Quelle der Katori Shintō-ryū

Marishiten

Die Katori Shintō-ryū wurde vom Samurai Iizasa Iga-no-Kami Ienao (geboren 1387) gegründet, nachdem er sich auf das Gelände des großen Katori-Schreins nach einem Leben voller Kampf und Krieg zurückgezogen hat und dort eine traumhafte Vision vom Gott des Krieges Futsunushi no Mikoto hatte, der ihm die Geheimnisse der Kriegskunst übermittelte. Dies war in seinem 70. Lebensjahr. (Sugino & Itō, 2016, 31-32)

Dieser Teil des Gründungsmythos der Katori Shintō-ryū ist wohl bekannt, sei es innerhalb oder außerhalb der Schule. In den alten Überlieferungen findet man aber auch noch andere Aspekte, von denen nicht so häufig geredet wird. In der Katori shinryo shinto-ryu kongenshu (Göttliche Ursprünge der heiligen Schwerttradition des Katori Schreins), einer der ältesten Schriftrollen im Besitz der Iizasa Familie, steht geschrieben das Futsunushi die göttlichen Kampf Szenarien Itsutsu, Nanatsu, Kasumi und Hakka von der Göttin Marishiten erlernte. (Hall, 2014, 214)

Marishiten ist eine uralte Göttin, die ihren Ursprung in Indien der Prä-Hinduistischen Zeit findet. Dort war sie bekannt als Marici, eine Göttin des Krieges, des Lichts und der Morgenröte und Schutzpatronin von Kriegern. Sie soll die Fähigkeit gehabt haben, ihre Anhänger unsichtbar für Feinde zu machen. Sie wurde oft mit mehreren Armen und mehreren Gesichtern dargestellt. Vom Morgen bis zum Abend soll sie über den Himmel geritten sein, auf den Rücken eines wilden Ebers bzw. einer Kutsche, die von Ebern gezogen wurde. Als Göttin wurde sie innerhalb der buddhistischen Kulte verehrt und schaffte es, nach Tibet und China zu gelangen. Dort nahm sie den Namen Molizhitian an. In China wurde sie sogar als Gottheit taoistischer Sekten angebetet. Dann, innerhalb des esoterischen Buddhismus, kam sie auch nach Japan als Marishiten und nahm einen wichtigen Platz im japanischen Pantheon ein. (Hall, 2014, 2-3)

Wir können also festhalten: Den Ursprung der Katori Shintō-ryū finden wir laut den Dokumenten unserer Schule selbst bei der Göttin namens Marishiten!

Yamato Nadeshiko und Onna Musha, Frauen der Samurai

Die altmodischen westlichen und japanischen Rollenbilder für Frauen unterscheiden sich in vielen Aspekten kaum. Die Frau soll Zuhause bleiben, sich um den Haushalt kümmern, die Kinder erziehen und gehorsam ihrem Ehemann folgen.

Tomoe Gozen

Eine solche ideale Frau wird in Japan Yamato Nadeshiko genannt. Die Prachtnelke der Yamato. Yamato ist der Name für einen Volksstamm, von dem die Japaner ihre Herkunft ableiten. In einem Aspekt unterscheidet sich dieses Frauenbild jedoch vom westlichen Gegenstück: eine Yamato Nadeshiko sollte auch einen eisernen Willen besitzen. (Yamato Nadeshiko, n.d.)

Dieses Bild der Frau leitet sich von den Frauen der Samurai ab. Sicherlich war es eine Seltenheit, dass Frauen tatsächlich in die Schlacht ziehen mussten. Trotzdem gibt es Legenden über die berühmten Onna Musha, die Kriegerinnen Tomoe Gozen und Hangaku Gozen, die bis heute begeistert erzählt und gelesen werden.

Frauen der Samurai hatten die Pflicht, stark zu sein und Haus und Hof verteidigen zu können. Dazu erlernten sie den Umgang mit der Naginata. Die Naginata ist eine Schwertlanze, eine mächtige Waffe für die Schlacht. Nach und nach wuchsen die japanischen Heere jedoch und die Naginata wurden von Speeren und Piken abgelöst, die einfacher in einer Formation zu benutzen waren. Die Naginata entwickelte sich in einer leichteren und kürzeren abgewandelten Form dann zur idealen Waffe für Frauen. Eine Frau ausgebildet an der Naginata konnte dank ihr mit Leichtigkeit auch viel stärkere Männer niederschlagen. (Amdur, n.d.)

Wir können festhalten: Das Frauen in den Kampfkünsten ausgebildet sind, ist in der japanischen Kultur nichts Ungewöhnliches, in vielen Fällen wird es sogar erwartet und ist ganz natürlich!

Die Frauen der Katori Shintō-ryū

In diesem Abschnitt möchte ich einzelne Frauen aus der Geschichte der Katori Shintō-ryū, als auch aus der Gegenwart vorstellen und ein Licht auf sie werfen.

Itō Kikue

Ito Kikue Sensei, Credits: Michael Reinhardt und die Ito Familie

Itō Kikue Sensei wurde am 30. September 1906 in Sawara, Chiba, geboren. Die Familie Itō hatte seit Generationen eine wichtige Rolle als Schreinwächter des Katori-Schreins inne. Itō Kikue Sensei begann ihre Ausbildung in der Katori Shintō-ryū in einem sehr jungen Alter unter der Aufsicht von Hongu Toranosuke Sensei. Zusammen mit Sugino Yoshio Osensei schrieb sie das Tenshin Shōden Katori Shintō-ryū Būdō Kyohan. Wahrscheinlich war sie für die Kapitel über Naginata verantwortlich.

In den 1940er Jahren unterrichtete sie Katori Shintō-ryū Naginata an öffentlichen Schulen vor allem für Frauen und Mädchen und zog sich nach dem Zweiten Weltkrieg aus den Angelegenheiten der Ryūha zurück, um als Grundschullehrerin zu arbeiten. (Sugino & Itō, 2016, Appendix)

Torigae Yoshi

Torigae Yoshi erlernte Katori Shintō-ryū unter Shiina Ichizo und war Mitschülerin von Sugino Yoshio Osensei. Nach Gründung des Sugino Dojo wurde sie Mitglied des Dojo und unterstützte Sugino Osensei beim Unterrichten und Demonstrieren. Sie soll eine sehr starke und energische Kampfkünstlerin gewesen sein und im Sugino Dojo erzählt man sich bis zum heutigen Tag Geschichten über sie. Sie war eine gefürchtete Meisterin der Naginata und erhielt ihr Menkyo von Iizasa Kinjiro, dem 19. Soke der Katori Shintō-ryū.

Eri Larsen-Kusano

Kusano Sensei trainiert seit 1976 Kampfkunst. Ihre Reise begann im Sugino Dojo, wo sie mit dem Training des Aikido anfing, unter Sugino Yoshio Osensei. Drei Jahre darauf fing sie mit dem Erlernen der Katori Shintō-ryū an, was zu ihrer Leidenschaft werden sollte. 1989 lernte sie den Norweger Sozen Larsen kennen, der ebenfalls anfing, im Sugino Dojo Kenjutsu zu lernen. Beide verliebten sich ineinander und heirateten. (Byklum, 2015)

2002 zogen Sie nach Norwegen und eröffneten das Kakudokan Dojo. Heute trägt Kusano sensei den 7. Dan und leitet die norwegische Abteilung des Sugino Dojo. Sie ist damit eine der höchstrangigen Frauen der Katori Shintō-ryū in Europa und allgemein eine der höchstrangigen Personen weltweit.

Izumi Mikami-Rott

Izumi Mikami-Rott

Izumi Mikami-Rott ist eine japanische Manga-Zeichnerin und Künstlerin, die heute in Leer, Ostfriesland lebt. Sie trägt aber auch den 4. Dan in der Katori Shintō-ryū und unterstützt ihren Ehemann Ulf Rott Kenjutsu in ganz Deutschland zu lehren und zu verbreiten. Sie hat ein sehr freundliches und offenes Wesen, kann im Training aber sehr streng sein und holt das Beste aus den Schülern heraus.

Frauen im Kobukai Berlin

Frauen Kampfkunst Rüstung
Onna Musha

Solltest du also eine Frau sein, hoffen wir dir hier gezeigt zu haben, dass wenn du den Schwertkampf der Samurai bei uns erleben willst, du hier herzlich willkommen bist. Die alten Waffen Kampfkünste sind für Frauen besonders geeignet, um wichtige Aspekte wie Abstand, Timing, Beobachtungsgabe, Körperbeherrschung und Mut auszubilden, welche auch wichtig sind, wenn man einem Aggressor im Alltag gegenübersteht. (Skoss, 1997)

Quellen

Amdur, E. (n.d.). Women Warriors of Japan The Role of the Arms-Bearing Women in Japanese History. Koryu.com. Retrieved 12 18, 2024, from https://koryu.com/library/wwj1.html

Byklum, K. (2015, 07 10). Ikke tro at du er for flink. Fardrelandsvennen. Retrieved 12 19, 2024, from https://www.fvn.no/magasin/i/ry220/ikke-tro-at-du-er-for-flink

Hall, D. A. (2014). The Buddhist Goddess Marishiten: A Study of the Evolution and Impact of Her Cult on the Japanese Warrior. Brill.

Skoss, D. (1997). Why Women Should Wield Weapons. Koryu.com. Retrieved 12 19, 2024, from https://koryu.com/library/dskoss4.html

Sugino, Y., & Itō, K. (2016). Teachings of the Tenshin Shōden Katori Shintō Ryū. Lulu Press, Incorporated.

Yamato Nadeshiko. (n.d.). tv tropes. Retrieved 12 14, 2024, from https://tvtropes.org/pmwiki/pmwiki.php/Main/YamatoNadeshiko

Kobukai